In Mausmodellen der Alzheimer-Erkrankung sind „stille Neurone“ schon seit längerem beschrieben: Nervenzellen, die keine elektrischen Signale (Aktionspotenziale) mehr weitergeben und dadurch funktionell inaktiv werden. Bisher war jedoch unklar, warum sie ihre Aktivität verlieren. Die aktuelle Studie liefert erstmals den direkten Beleg: Ihr Verstummen entsteht durch eine Amyloid-β-abhängige Entkopplung dieser Zellen vom neuronalen Netzwerk – und setzt bereits in frühen Krankheitsstadien ein, noch bevor krankhafte Veränderungen des Tau-Proteins auftreten, das im Inneren der Nervenzellen verklumpt und ihre Struktur zerstört.
Alzheimer verändert die Aktivität des Gehirns in zwei Richtungen: Manche Nervenzellen geraten in einen Zustand der Überaktivität, andere verstummen völlig. Gemeinsam tragen beide Störungen zum frühen Funktionsverlust des Netzwerks bei.
Die neue Studie dokumentiert die Stilllegung von Neuronen anhand mehrerer Befunde:
- Stille Neuronen verlieren einen Großteil ihrer präsynaptischen Eingänge und werden dadurch funktionslos.
- Sie weisen einen deutlichen Verlust an Dendritenfortsätzen (Spines) und stark verminderte synaptische Ströme auf – klare Hinweise auf eine funktionelle Entkopplung vom Netzwerk.
- Diese Prozesse setzen bereits in frühen Krankheitsstadien ein und könnten in späteren Phasen zu kognitiven Defiziten beitragen
Damit erweitert die Studie das Verständnis der Rolle von Amyloid-β: Neben überaktiven Nervenzellen, die bereits aus früheren Arbeiten bekannt sind, wurde nun erstmals direkt gezeigt, dass andere Neuronen durch synaptische Verluste vollständig vom Netzwerk abgekoppelt werden – ein Prozess, der das Fortschreiten der Erkrankung entscheidend mitprägt.
Die Arbeit entstand in enger Zusammenarbeit mit Nobelpreisträger Prof. Bert Sakmann sowie weiteren internationalen Kolleginnen und Kollegen. Gemeinsam legt das Team eine neue Grundlage für die Erforschung der frühen Mechanismen der Alzheimer-Erkrankung.
Zur Publikation in PNAS
Amyloid β–dependent neuronal silencing through synaptic decoupling
Yonghai Zhang, Hsing-Jung Chen-Engerer, Kuan Zhang, Benedikt Zott, Zsuzsanna Varga, Yang Chen, Xiaowei Chen, Hongbo Jia, Bert Sakmann, Israel Nelken, Arthur Konnerth
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