Im Zentrum des Austauschs stand die Frage, wie Technologie, Gestaltung und gesellschaftliche Verantwortung zu einem ausgewogenen Lebensstil der Zukunft beitragen können. Als thematischer Rahmen diente der japanische Begriff chōdo ii – ein Ausdruck für „das rechte Maß“, das „nicht zu viel und nicht zu wenig“ bedeutet. Dieses Konzept wurde im offiziellen Veranstaltungstext als Leitidee der Gesprächsrunde benannt.
Bei der von der Azbil Corporation veranstalteten Runde kamen drei Persönlichkeiten mit unterschiedlichen kulturellen und fachlichen Hintergründen zusammen: Prof. Fritz Frenkler, international renommierter Industriedesigner mit Schwerpunkt auf funktionale und gesellschaftlich verantwortliche Gestaltung; Prof. Akifumi Yogo (Osaka University, Institute of Laser Engineering), Spezialist für Hochleistungstechnologien; und Clarence Chua (Singapore Economic Development Board), der sich mit wirtschaftspolitischen Fragen ebenso wie mit Aspekten japanischer Kultur – etwa Wabi und Chanoyu – beschäftigt.
Die Beiträge verbanden unterschiedliche Perspektiven – technologisch, gestalterisch, strategisch – mit einem gemeinsamen Fokus auf Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und die Rolle von Gestaltung im gesellschaftlichen Wandel.
Zusammenfassung des Impulsvortrags von Fritz Frenkler zur EXPO2025-Gesprächsrunde vom 16. Mai 2025
„I hope this word will spread around the world – that in the future all designers will say they are ‘Gestaltende’.“
– Prof. Fritz Frenkler, Osaka 2025
In seinem Beitrag (im Video ab Minute 16:36) sprach Fritz Frenkler über seine bewusste Entscheidung, den Begriff „Design“ nicht mehr zu verwenden. Stattdessen, so erläuterte er, bevorzuge er das Wort „Gestalten“ – ein Begriff, der aus seiner Sicht den gesellschaftlichen Anspruch der Disziplin besser zum Ausdruck bringt. Zwar ist „Gestalten“ ein deutsches Wort, doch er verwies auf Beispiele wie „Kindergarten“, die zeigen, dass auch deutschsprachige Begriffe mit einem klaren inhaltlichen Konzept international Fuß fassen können. Seine Hoffnung sei daher, dass sich künftig auch der Begriff „Gestaltende“ anstelle von „Designer“ durchsetzt.
Er begründete seine Haltung mit der Beobachtung, dass der Begriff „Design“ heute in vielfacher Weise verwässert sei und zunehmend in Zusammenhängen verwendet werde, die mit dem ursprünglichen Selbstverständnis des Berufs kaum noch vereinbar seien. Begriffe wie „Hair Design“ oder „Nail Design“ nennt er als Beispiele für diese Entwicklung – Ausdruck einer begrifflichen Beliebigkeit, die aus seiner Sicht dem gestalterischen Anspruch nicht gerecht wird.
Ein zentrales Bild seines Vortrags war das Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Frenkler beschrieb die drei Bildteile als Stationen einer Entwicklung: links das Paradies, in der Mitte eine Phase der Maßlosigkeit, rechts Zerstörung und Verfall. „Wir haben links begonnen, sind jetzt in der Mitte – aber eigentlich schon näher am rechten Bildteil“, so seine Einschätzung. Für Frenkler ein Anlass, über die Verantwortung von Gestaltenden für gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen nachzudenken.
Frenkler kritisierte zudem Greenwashing und betonte, dass unter dem Etikett der Nachhaltigkeit häufig neue Produkte vermarktet würden, ohne echten ökologischen Nutzen zu bringen. Manchmal, so seine Einschätzung, sei es besser, kein neues Produkt zu machen.
Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrags war das Plädoyer für inklusive Gestaltung: Produkte sollten nicht für spezielle Zielgruppen entwickelt werden, sondern grundsätzlich für alle Menschen funktionieren . Dieses Denken mündete in seinem Appell für ein ganzheitliches Gestalten – mit Blick auf Umwelt, Gesellschaft und globale Gerechtigkeit.
Dabei plädierte Frenkler eindringlich für ein neues Verständnis von Markenverantwortung: „A brand is a corporate culture. If you can’t give people what they need, you don’t have culture.“ Eine Marke ist kein bloßes Stilmittel, sondern Ausdruck gelebter Unternehmenskultur – messbar daran, ob sie den Menschen tatsächlich dient. Marken dürfen sich nicht auf ästhetische oder symbolische Oberflächen beschränken, sondern müssen Verantwortung übernehmen – gegenüber Mitarbeitenden, Nutzerinnen und Nutzern sowie der Gesellschaft insgesamt.
Er kritisierte, dass unter dem Schlagwort „Brand“ häufig lediglich Designvarianten verbessert würden, ohne grundlegend umzudenken. Der Einfluss wirtschaftlicher Interessen sei dabei allgegenwärtig: „People say, ‘This is too expensive for the market. Make it cheaper.’ But by making it cheaper, the ecology disappears.“ Die Folge: Nachhaltigkeit werde dem Preisdruck geopfert, Gestaltung verliere dadurch ihre gesellschaftliche Relevanz.
Frenkler forderte daher einen Perspektivwechsel hin zu einem life-centered design, das nicht nur den Menschen, sondern das Leben in seiner Gesamtheit – einschließlich des Planeten selbst – in den Blick nimmt: „The planet doesn’t need us – we need it.“ Gestaltung, so seine zentrale Botschaft, dürfe sich nicht auf menschliche Bedürfnisse beschränken, sondern müsse das ökologische Gleichgewicht mitdenken.
Zum Abschluss verwies Frenkler auf ein japanisches Prinzip, das er mit den Worten „Good for the seller, good for the buyer, good for the society.“ umschrieb. Damit meinte er das traditionelle Konzept Sanpō yoshi – ein ethischer Leitsatz aus der japanischen Wirtschaftsgeschichte, der seiner Meinung nach weltweit mehr Beachtung finden sollte.
Zur Videoaufzeichung
Die Gesprächsrunde mit Fritz Frenkler im Rahmen der Expo 2025 Osaka, Kansai, Japan, veranstaltet von der Azbil Corporation, wurde am 16. Mai 2025 von 107:30 bis 09:00 Uhr (MESZ) live übertragen. Thema der Session: Creating a Well-Balanced Future Lifestyle with Automation
Veranstaltungsinformationen
theme-weeks.expo2025.or.jp/en/program/detail/675bf5544137d.html